Südlicher Kungsleden: Einsame Mehrtageswanderung in Mittelschweden.

Wesentlich weniger frequentiert als der nördliche Kungsleden, durchquert man auf den Tagesetappen dieser Wanderung das Naturreservat Rogen. Ich selbst war Mitte Juni dort und traf, wohl auch noch auf Grund der geschlossenen Hütten, pro Tag nicht mehr als 1-2 Personen an. Ab Ende Juni sind die drei Hütten entlang des Abschnittes geöffnen und die Wanderung kann somit als Hüttenwanderung in 4 Tagen bewältigt werden. Dabei müssen allerdings große Distanzen zurückgelegt werden. Gemütlicher gehts mit dem Zelt - dabei sollten je nach Wetter 6-9 Tage eingeplant werden. Der Weg ist bestens markiert, sumpfige Gebiete sind mit Holzbohlen ausgelegt. Wasser gibt es beinahe überall. Dadurch muss nie mehr als 1l Wasser mitgeschleppt werden. Die Tour kann auch in die entgegengesetzte Richtung gemacht werden.

Erreichbarkeit: Sowohl Grövelsjön als auch Fjällnäs können mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Zug und Bus) täglich erreicht werden, wobei für die letzten km nach Fjällnäs ein Taxi benutzt wird. Dieses kann und muss schon vorab gebucht werden. Verbindungen können am besten auf sj.se oder auf resrobot.se gecheckt werden.

Kartenmaterial: Lantmateriet. Super Karte, welche alles Nötige enthält. Über Locus Map auch am Smartphone verfügbar. Ausschnitte der Karte können auch offline gespeichert oder ausgedruckt werden. Da Lantmateriet den täglichen Download limitiert, sollten je nach Größe und Detailgrad des Ausschnittes mehrere Tage zum Downloaden eingeplant werden.

Netzabdeckung: Obwohl fernab der Zivilisation, gibt es, für mich überraschend, täglich immer wieder Handyempfang. Teilweise sogar in LTE-Qualität.

Wetter: Detaillierte Wetterberichte gibt es auf yr.no. Beste Jahreszeiten zum Wandern sind Juni bis September. Sofern ein schneearmes Jahr vorliegt, eventuell auch schon etwas früher.

Ausrüstung: Keine besondere Ausrüstung erforderlich. Allerdings erleichtern Mückenrepellent und Mückennetz das Leben.

  • Anreise mit Zug und Bus von Stockholm nach Grövelsjön. Die Endstation ist die Haltestelle bei der Fjällstation STF. Nach ein paar Minuten haben sich die wenigen Wanderwütigen bereits in der Station verkrochen. Der Bus wendet, hinterlässt eine Staubwolke - das tiefe Gefühl der Einsamkeit macht sich breit. Der Blick ist nach vorne gerichtet: Nach gut 1h Wanderzeit, welche am Abend der Ankunft vor Einbruch der Dunkelheit noch gut bewältigbar ist, erreiche ich das erste Nachtlager. Neben einem kleinen See knapp oberhalb der Baumgrenze genießt man einen tollen Ausblick in die unendlichen Weiten dieser Region. Ein kleines Lagerfeuer erhellt die langsam über mich hereinbrechende Dunkelheit und hält die etwas aufdringlichen Mücken fern. Ein wohl von der Herde nicht unweit einsam umherstreunendes Rentier wünscht mir gute Nacht bevor ich mich im Zelt verkrieche. Zeltplatz oberhalb Grövelsjön

    Abends am Zeltplatz oberhalb von Grövelsjön.

  • Heute steht mir wohl die längste und anstrengendste Etappe bevor. Einerseits gibt es etliche km und einige hm zu überwinden, andererseits ist der Rucksack noch prall gefüllt mit Proviant für die anstehende Woche. Nach einem angemessenen Frühstück und unter der stärker werdenden Sonneneinstrahlung strömt Wanderlust durch meinen Körper und ich mache mich auf Richtung Jakobshöjden. Der Hügel muss nicht bestiegen werden - der Weg führt enlang des Osthanges, ungefähr 100hm unterhalb des Gipfels. Vorbei an unzählbar vielen Rentieren (domestiziert) nimmt man Kurs auf das unglaublich schöne Tal Hävlingen. Die Hochfläche zieht sich, die Wanderung ist aber nicht anstrengend. Im Tal angekommen empfangen einen die dort heimischen Mücken stürmisch. Schade - gäbe es hier doch viel zu sehen. So erfährt das Kopfnetz den ersten Praxistest. Nach dem Überqueren des Sees über eine breite Brücke geht es bergan. Viele Steine und zum Schluss ein langer Bohlenweg müssen bis zum See Slagusjön überwunden werden. Hier im Wind und der Einsamkeit werde ich mit einem atemberaubenden Zeltplatz nahe am See belohnt. In der Kälte haben mich die Mücken verlassen, allerdings fühlt sich die Juni-Sonne für mich verantwortlich und mag nicht hinter den nahen Bergrücken verschwinden ohne sich zu vergewissern, dass meine Augen schon zugefallen sind.

    Am Weg zum See Slagusjön
    Rückblick auf den Bohlenweg zum See Slagusjön.
  • Nach der anstrengenden gestrigen Etappe geht es heute etwas gemütlicher ans Werk. Am Morgen nach der kalten und windigen Nacht benötige ich etwas Zeit zum Auftauen. Bei dichter Wolkendecke mache ich mich auf zur Hütte Storrödtjärnstugan. Die Hütte ist noch nicht bewirtschaftet, da die Wandersaison erst einige Tage später beginnt. Wanderer, welche ohne Zelt unterwegs sind, müssen von Grövelsjön in einem Marsch zur Hütte gelangen. Durch leichteres Gepäck sicher schaffbar, dennoch anstrengend. Da die Hütte auch ein Nottelefon beherbergt, ist sie nicht abgeschlossen und ich nutze dies um mich vor dem Wind zu schützen und mich etwas Aufzuwärmen. Anschließend beginnt ein toller Abstieg zum Rogensee. Im anfangs sumpfigen Gebiet erfreut man sich über die Holzbohlen. Am See erfreue ich mich an den ersten Sonnenstrahlen dieses Tages und verweile ein wenig. Obwohl der Platz zum Bleiben verführt setze ich die Wanderung hinsichtlich der nächsten Tage fort. Kurz nach dem Südufer des Rogensee erfolgt wohl der mühsamste Teil meiner Kungsledentage. Über große Blockfelder gilt es mit schwerem Rucksack hindurch zu tänzeln. Am See Fisklöstjärnen angekommen, verlasse ich den Weg um mir ein geeignetes Plätzchen am See zu schnappen. Gar nicht so einfach. Durch den erfrischenden Wind und das kühle Wetter genieße ich ein mückenfreies Abendessen. Aber die Mücken sollten bereits auf mich warten...

    Am Südufer des Rogens
    Am Südufer des Rogensees.
  • Am Morgen empfangen mich die Sonnenstrahlen freudig. Es ist deutlich wärmer und der Wind ist eingeschlafen. Draußen lauern tausende stechwütige Mücken auf mich. Das Frühstück fällt heute wohl aus. Schnell packe ich das Zelt zusammen und mache mich auf den Weg. Dieser führt in leichter Steigung auf den Tandsjövalen. Bald erreiche ich den höchsten Punkt. Hier weht eine leichte Brise, sodass das Frühstück einigermaßen mückenfrei über die Bühne gehen kann. Die Aussicht ist berrauschend: Seen so weit das Auge reicht! Bergab erreicht man bald bewaldetes Gebiet. An der ersten Weggabelung entscheide ich mich zur Rogenstugan zu gehen, da ich mir vom längeren Weg über die Küste mehr verspreche. Im Wald sind die Mücken wieder sehr lästig, aber am Wasser angekommen, sollte sich der Umweg lohnen: Zeit für eine kleine Pause um die Aussicht zu genießen. Weiter geht es zurück ins "Landesinnere" und von dort eine schiere Unendlichkeit durch lockeren Wald bis zum nördlichen Ende der Rödviken-Bucht. Am sich dort befindenden Unterschlupf haben sich bereits einige Wanderer niedergelassen. So wandere ich ein kleines Stück über die Küste nach Süden um dort an einer kleinen Landzunge direkt am Wasser mein Lager aufzuschlagen. Nach einer kleinen Abkühlung im See genieße ich mein Abendessen. Ein magisches Plätzchen!

    Abends am Ufer des Rogens
    Abends in Rödviken mit Blick zum Berg Bustvalen.
  • In der Nacht gab es eine Menge Regen welcher bis weit in die Morgenstunden andauert. Dies verzögert meine weitere Wanderung. Am Nachmittag mache ich mich schließlich doch auf den Weg. Es ist Vorsicht geboten, sind die moosbewachsenen Steine nun besonders rutschig. Vorbei an den beiden Gipfeln des Bustvalen erreicht man eine Kreuzung unweit der norwegischen Grenze. Weiter Richtung Norden gelangt man bald wieder in ein Gebiet mit unzählig kleinen Seen. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur Hütte Skedbrostugan, welche bereits bewirtschaftet ist. Unweit der Hütte auf einer kleinen Anhöhe östlich des Wanderweges schlage ich mein Lager auf. Das Essen muss ich diesmal ins Zeltinnere verlagern: die Mücken zwingen mich dazu. Auf der Flucht vor dem nun einsetzenden Regen, machen es sich viele zwischen Innnenzelt und Außenzelt gemütlich.

    Unweit der Skedbostugan
    In unmittelbarer Nähe zur Hütte befindet sich ein großer See.
  • Der nächste Morgen ist sonnig und kühl - perfekt: die Mücken haben sich aus dem Staub gemacht. In der frischen Luft genieße ich die Wanderung durch das sehr sumpfige Gebiet. Im Laufe des Tages streifen viele kurze Regenschauer das Gebiet und zwingen mich jeweils zu einer kurzen Pause unter dem Poncho. Das feuchtwarme Klima ist ein Paradies für die fliegenden Plagegeister. Im Muggdalen (nomen est omen) eskaliert die Situation. Kopfnetz, Mückenspray und wild fuchtelnde Arme halten die schwarze Armee nicht mehr auf. Bloß schnell weiter. Kurz nach dem Unterschlupf Broktjärnskojan hat man das Schlimmste überstanden: der Weg führt bergauf und mit jedem Höhenmeter wird die Luft etwas kühler und der Wind etwas stärker. Die Landschaft die sich nun zu meinen Füßen darbietet, macht die Leiden in Muggdalen vergessen: Unendliche Weiten, zahllose Seen, Lichstrahlen, und schwarze Wolkenfronten. Mit einem Wort - paradisisch. Eigentlich wollte ich noch bis ins Rutfjllet wandern. Jedoch zwingt mich der starke Wind an der Naturreservatgrenze zur Umkehr. Im Inneren bin ich froh darüber. So kann ich noch etwas länger dieses tolle Plätzchen genießen. Das Zelt schlage ich an drei kleinen Seen unweit des Wanderweges auf. Als sich am Abend das Wetter etwas beruhigt, unternehme ich noch einen Abstecher zum Gipfel des Raafjeelle. Von dort genieße ich die Aussicht auf den morgigen Abschnitt. Eine schwarze Wolkenbank kündigt neuerdings Regen an. Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es ins Zelt.

    Blick zurück
    Am Raafjeelle: Das durchwanderte Tal zu meinen Füßen.
  • Das wechselhafte Wetter des Vortages sollte mich auch heute begleiten. Gleich zu Beginn des Tages gibt es einen kleinen Schneeschauer. Nach Verlassen des Naturreservates geht es mit stündlich wiederkehrenden Regenschauern über den langen Rücken des Vättafjället. Gerade heute erweist sich der Poncho als besonders nützlich, können die Schauer so gemütlich ausgesessen werden. Diese Etappe wartet mit tollen Stimmungen und schönen Blicken zum Svansjön-See auf, welcher sich im wechselnden Licht besonders schön präsentiert. Am Ende des Sees verlässt man die Hochfläche über sumpfige Hänge und steigt Richtung Ufer ab. Von dort erblicke ich das erste mal seit einer Woche "Zivilisation": ein Auto parkt unweit der Weggabelung. In der Ferne macht man eine Skistation aus, sowie die ersten Häuser von Fjällnäs. Ein gemischtes Gefühl macht sich breit: einerseits froh dass man es geschafft hat, andererseits traurig darüber dass die schöne Reise nun bald ein Ende findet. Ein weiteres Mal (ich habe schon lange aufgehört zu zählen) beginnt es zu regnen. Doch als hätte ich nicht genug einzigartige Tage erlebt, ist dieser Regen etwas ganz besonderes: ein vollständiger Regenbogen tut sich direkt vor mir auf. Mir gehen die Superlativen aus. Nach errichtetem Lager am nördlichen Ende des Svansjön-Sees schlafe ich entspannt und losgelöst ein. Was will man mehr?

    Regenbogen
    Ohne Worte.
  • Am letzten Tag steht noch ein kurzer Abstieg in das Dorf Fjällnäs an. Die paar Hotels die es hier gibt, haben Ende Juni noch geschlossen. Ein paar einzelne Fischerboote treiben am See. Rentiere durchstreifen das Dorf auf Futtersuche und werfen ihr dickes Winterfell ab. Nach einem kleinen Schläfchen am See wartet das Sammeltaxi auf mich, welches mich bis nach Funäsdalen bringt. Wer diesen Service nutzt, muss unbedingt einen Tag vorher (bis spätestens 17 Uhr) anrufen. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen geht niemand ans Telefon! Dies unbedingt berücksichtigen! Wer so wie ich die Tickets über sj.se gekauft hat, hat die Taxifahrt bereits bezahlt. Mit dem Bus geht es weiter nach Östersund und dort in den Nachtzug der mich zurück nach Stockholm bringt. Die Nacht im Zug war schlimm: nach einer einsamen Woche in den Weiten der Natur und nun zurück, eingepfercht, übereinander, mit 5 Fremden auf wenigen Quadratmetern. Ich vermisse mein Zelt jetzt schon.

    Fjällnäs
    Auf den letzten Metern in Fjällnäs.