Stangenwand Zustieg
Morgens beim Zustieg aus dem Rauchtal: Die Südwand der Stangenwand bäumt sich eindrucksvoll vor uns auf.
Stangenwand SL vor Querung
Die Seillänge vor der großen Querung ist eindrucksvoll luftig, jedoch leider etwas splittrig.
Mooskamin
In den Tiefen des gefürchteten Mooskamins.
Stangenwand Gipfel
Am Ende einer jeden guten Tour steht ein toller Gipfel.
Video der Tour, gedreht von Christoph Klein, zusammen mit seinem Seilpartner Michael.

Südost (VII)

Stangenwand (Hochschwabgruppe)

Ein wohl letztes Mal geht es heuer für uns am österreichischen Nationalfeiertag ins Rauchtal. Das Ziel: die von Raimund Schinko 1938 erstbegangene Südost an der Stangenwand.

Liebhaber klassischer Linien werden aus dem Schwärmen nicht herauskommen, alpine Sportkletterer werden fluchen. Eines sei klar gestellt: ja, zugegebenermaßen, der Fels ist nicht so kompakt wie in einer Renaissance, allerdings zu keinem Zeitpunkt gefährlich. Die zwei Seillängen vor dem Quergang sind splittrig und man ertappt sich beim mehrmaligem Prüfen des jeweiligen Griffes. Spätestens ab dem Quergang bewegt man sich in bombenfestem Fels. Platten, Kamine, Quergänge, luftig, rau, und spektaulär - Kletterherz was willst du mehr? Doch von Anfang an...

Raimund Schinko, zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Graz geboren, war wohl der bedeutendste steirische Kletterer der Zwischenkriegszeit und größter Erschließer des Hochschwabs. Mit der Erstbegehung der Dachl-Rosskuppenverschneidung 1936 mit seinem kongenialen Seilpartner Fritz Sikorovsky schuf sich Schinko ein Denkmal. Obwohl oft versucht, wurde diese ehrfürchtig genannte Todesverschneidung 12 Jahre lang nicht wiederholt. Lange Zeit galt sie als eine der schwersten Touren der Ostalpen. Die Stangenwand Südost liest sich weitaus weniger düster, jedoch ist die Route nicht minder beeindruckend. Walter Pause nahm die Tour nicht umsonst 1970 in sein Werk Im extremen Fels, welches die 100 bedeutendsten Routen der Alpen umfasste, auf. Erst 2006 sollte der erste Kletterer alle Pausetouren schaffen. Das Buch gibt es mittlerweile in der dritten Auflage. Deren Autor, Christoph Klein und seinen Seilpartner Michael, trafen wir am Einstieg der Tour, welchen wir nur wenige Minuten vorher erreichten. Christoph filmte die Tour und veröffentlichte das daraus entstandene Video auf seinem Youtube-Channel: Lustig und sehenswert! Aber zurück zum Wesentlichen...

Hat man erst einmal den doch langen aber unbeschwerlichen Zustieg übers Rauchtal geschafft, so wird man bereits am Einstieg mit einer tollen Aussicht belohnt. Blicke hinab zum Wetzsteinkogel oder zum gegenüberliegenden Beilstein sind zwar schön, jedoch haben wir nur Augen für die sich vor uns aufbäumende Felswand. Die Routenfindung gestaltet sich einfach: der logischen Linie folgen und im Zweifelsfall nach einem der vielen Bohrhaken Ausschau halten. Deren Anzahl ist für mich etwas unverständlich. Sanierung ja - aber eine der bedeutendsten Touren der Gegend niederbohren? Wieso in der ersten Seillänge kaum Bohrhaken sind bleibt wohl ein Sanierungsgeheimnis. So können die Cams getrost den gesamten Tag rumgeschleppt werden um dann eventuell einmal in der ersten Seillänge Anwendung zu finden. Nachher sind sie mehr als unnötig. Aber zurück zum Positiven: die 30m Querung ist mit Sicherheit das Highlight der Route. In luftiger Kletterei muss der Kletterer sein Vertrauen in die "Patschn" unter Beweis stellen. Die Schlüsselstelle beschränkt sich auf 3m zwingender Kletterei, an dessen Ende auf Kniehöhe ein guter Untergriff versteckt ist - klassisch: gewusst wie. Alternativ kann man sich vor der Schlüsselstelle auch einige Meter ablassen und auf einfacherem Weg den nächsten Standplatz erreichen. Nachdem man bereits in den ersten Längen Bekanntschaft (und hoffentlich Freundschaft) mit dem Kaminklettern gemacht hat, setzen sich im oberen Teil die Kamine fort. Nach einem anstregenden Piazriss gelangt man bereits in die Vorboten des Mooskamins. Bei Nässe gefürchtet, bei trockenem Wetter relativ harmlos. Ein Glück für uns, dass es seit über einer Woche nicht mehr geregnet hat - aber selbst da macht es uns der Mooskamin nicht einfach und bröselt in unsere Augen. Das Abwarten der passenden Verhältnisse macht sich hier in jedem Fall bezahlt! Nach dem Mooskamin folgen einige Meter bis zum Gipfel, welche auch gut seilfrei gemeistert werden können. Zufrieden und glücklich den Klassiker gemeistert zu haben, haben wir nun plötzlich auch Augen für unsere Umgebung - eigentlich ists schon super schön hier, oder?